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25.04.20 –
Gewerbegebiet, Industriegebiet oder Sondergebiet? 8 Hektar, 33 Hektar oder etwas dazwischen? Großkonzerne oder mittelständische Betriebe? Über die geplanten Industriegebiete in Allersberg wird seit Monaten heftig debattiert. Nun sind die Bürger gefragt: Am 17. Mai 2020 haben sie die Möglichkeit, ihre Stimme bei zwei Bürgerentscheiden abzugeben und so mitzuentscheiden, wie sich ihre Gemeinde entwickeln soll.
Damit die Allersberger diese Entscheidung fundiert treffen können, sind hier einige Hintergrundinformationen zu den beiden Bürgerbegehren sowie zum aktuellen Stand der Planungen zusammengestellt. Denn zwei kurze Fragen auf dem Stimmzettel können ein derart komplexes Thema kaum angemessen darstellen.
Die Allersberger GRÜNEN appellieren an die Bürger, das Angebot zu nutzen, sich zu informieren und ihre Entscheidung wohlüberlegt zu treffen. Schließlich geht es darum, die Weichen für die Zukunft unserer Gemeinde zu stellen:
"Wir treffen hier eine Entscheidung, mit der unsere Kinder und Enkelkinder lange leben müssen. Dieser Verantwortung sollten wir uns bewusst sein," so Sprecherin Tanja Josche. Gerade angesichts der Größe der Fläche stellt sich die Frage, ob der Fortschritt, den vermutlich alle für Allersberg wollen, in einem Schritt erfolgen muss. "Wir plädieren dafür, die Entwicklung der Flächen mit Augenmaß und Respekt vor der Natur anzugehen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich auch Allersberg in gesundem Maße mitentwickeln kann und dabei lebenswert bleibt."
Die Informationen sind in Form von Fragen & Antworten aufbereitet. Falls die Bürger darüber hinaus noch weitere Fragen haben, stehen die Sprecher des GRÜNEN-Ortsverbands gerne zur Verfügung:
Tel.: 09176 / 3550295 oder 835
Mail: fraktion@gruene-allersberg
Der Freistaat Bayern hat ein so genanntes Anbindegebot erlassen, um einer Zersiedelung der Landschaft entgegen zu wirken. Dieses schreibt vor, dass neue Gewerbegebiete möglichst an bestehende Siedlungen angebunden werden sollen. Ausnahmen sind nur in bestimmten Fällen möglich, zum Beispiel für Logistikzentren oder für großflächige produzierende Betriebe, die aus Gründen der Ortsbildgestaltung nicht angebunden werden können. Für solche Betriebe dürfen „auf der grünen Wiese“ Gewerbeflächen entstehen, sofern die Gemeinde den Bedarf ausreichend begründet und die Fläche als „Sondergebiet“ ausweist. Welche Art von Sondergebiet im Bürgerentscheid 1 gemeint ist, steht zwar nicht auf dem Stimmzettel, dem Hilpoltsteiner Kurier gegenüber (Artikel 26.2.20) gaben die Initiatoren jedoch an, ein „Sondergebiet Logistik“ zu unterstützen. Dies wird auch so von der Gemeindeverwaltung angestrebt.
Nein, das stimmt nicht. Es ist vielmehr so, dass unsere Gemeindeverwaltung den Wunsch geäußert hat, hier ein Logistikunternehmen anzusiedeln, deshalb soll West I ein „Sondergebiet Logistik“ werden. Nicht umgekehrt. Zitat aus der Stellungnahme der Regierung von Mittelfranken:
„Die Realisierung der nach hiesigem Kenntnisstand von der Kommune konkret gewünschten Ansiedlung eines Logistikunternehmens ist diesbezüglich möglich, wenn ein Sondergebiet Logistik ausgewiesen wird.“
Das ist kein Gerücht. Der Logistikimmobilienentwickler P3 will am Standort Allersberg einen Logistikpark errichten. Das hat P3 selbst bestätigt, z. B. im Donaukurier vom 24.1.2020. Zu diesem Zweck wurde bereits ein eigenes Unternehmen mit dem Namen „P3 Allersberg Sàrl“ in Luxemburg gegründet. Dieses Unternehmen plant konkret für Amazon. Entnehmen kann man dies u. a. Planzeichnungen von P3 in einem Verkehrsgutachten. P3 selbst entwickelt seit vielen Jahren Logistikimmobilien in Europa und ist zu 100 % im Besitz von GIC, dem Staatsfonds der Regierung Singapurs.
Das steht zwar nicht auf dem Stimmzettel, aber alles deutet darauf hin. In der Immobilienzeitung hieß es am 6.4.2020 (und ähnlich am 9.4.2020):
„Amazon verdichtet derzeit sein Netz in Nordbayern. Bei Allersberg steht ein weiterer Bürgerentscheid für den Bau eines P3-Projekts mit Amazon als Mieter aus."
Wird die Fläche West I an P3 verkauft, muss man aber berücksichtigen, dass die Entscheidung, wer sich letztlich ansiedeln wird, nicht wir als Gemeinde treffen werden, sondern der Investor und Projektentwickler P3.
Die Frage ist, welches Ziel wir als Gemeinde verfolgen: Geht es uns nur darum, die Flächen schnell zu verkaufen, dann ist P3 mit Amazon sicher eine Option. Wenn wir mit den Gewerbe- bzw. Industriegebieten aber die Grundlage für langfristige und konstante Einnahmen schaffen wollen, dann wäre es sinnvoller, auf mehrere Betriebe aus verschiedenen Branchen zu setzen, statt ausschließlich auf einen Großkonzern. Das wirtschaftliche Risiko wäre deutlich geringer. Auch wenn wir Wert auf qualifizierte Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten für unsere Kinder legen oder auf ökologische Kriterien, gäbe es bessere Alternativen als Amazon.
Amazon ist natürlich gewerbesteuerpflichtig wie andere Unternehmen auch. Es ist jedoch bekannt, dass Amazon den Großteil seines in der EU erzielten Gewinns in Luxemburg verbucht, dort aber nur in sehr geringem Maße besteuert wird. Dadurch fällt an den Standorten der Logistik-, Verteil- und Sortierzentren relativ wenig Steuer an – im Vergleich zu anderen Unternehmen und im Verhältnis zur Fläche, die der Konzern verbraucht. Dazu zwei Vergleichszahlen: Die Gemeinde Allersberg hat 2019 auf einer Gewerbefläche von rund 20 ha (Größe laut Aussage der Gemeindeverwaltung bei der Bürgerversammlung) 2,2 Mio. Euro Gewerbesteuer eingenommen. Amazon würde nach Berechnung eines Steuerexperten auf einer Grundstücksfläche von rund 14 ha lediglich zwischen 150.000 und 450.000 Euro jährlich zahlen. Die Berechnung basiert auf den Bilanzzahlen der Logistikzentren Frankenthal und Pforzheim (zum Hebesatz Allersberg), die in Größe (11 ha Lagerfläche) und Mitarbeiterzahl (1.000-1.300) dem für Allersberg geplanten ähnlich sind. Der Grundstückseigentümer und Objektentwickler P3 würde in Allersberg übrigens keine Gewerbesteuern zahlen.
Natürlich. Die Planungshoheit hat schließlich die Gemeinde. Aber es muss ein Betrieb sein, der eine der Ausnahmen vom Anbindegebot im Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) erfüllt.
Chefs Culinar wäre in einem „Sondergebiet Logistik“ nicht möglich, da es kein Logistikbetrieb ist. Das hat die Regierung von Mittelfranken in einem Schreiben an die Gemeinde bestätigt. Aber: Man könnte das Unternehmen vermutlich in einem „Sondergebiet Produktion“ ansiedeln. Wäre das der Wunsch der Gemeinde, müsste man eine entsprechende Anfrage an die Regierung stellen und nachweisen, dass der Betrieb nicht angebunden werden kann. Diese Anfrage würde die Regierung „ergebnisoffen prüfen“, wie es heißt. In der Regel wird dem Wunsch einer Gemeinde stattgegeben, sofern er nicht den Zielen des Landesentwicklungsplans entgegensteht. Bisher hat die Gemeinde Allersberg aber keine solche Anfrage gestellt.
Ergänzung August 2020: Wie mittlerweile bekannt wurde, hat sich Chefs Culinar für Pilsach als Standort entschieden. Dort gilt das Unternehmen als Logistikbetrieb. Dass die Einordnung für Allersberg anders ausfiel, ist darauf zurückzuführen, dass bei der Anfrage an die Regierung offenbar eine andere Nutzung ("Produktion, Dienstleistung, Großhandel") angegeben wurde.
Bei der Unternehmerfabrik Landkreis Roth GmbH gehen ständig interessante Anfragen von guten Unternehmen ein, die Flächen im Landkreis suchen. Die Gemeinde Allersberg scheint daran jedoch nicht interessiert und hat bisher keinen Kontakt aufgenommen. Die Unternehmerfabrik gilt im Landkreis als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen und Kommunen, wenn es um Beratung, Wirtschaftsförderung und Kontaktvermittlung geht. Gesellschafter sind der Landkreis Roth, die Stadt Roth, die Sparkasse Mittelfranken-Süd und die IHK Nürnberg für Mittelfranken.
Der Marktgemeinderat hat die Industriegebiete in den vergangenen Monaten mehrfach behandelt und bereits einige Beschlüsse gefasst. So wurde zum Beispiel festgelegt, dass West I ein „Sondergebiet Logistik“ werden soll, West II ein „Industriegebiet“. Außerdem wurde über Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange, wie der Regierung von Mittelfranken, entschieden.
Die Initiative für den Bürgerentscheid 1 gibt in ihrer Begründung und gegenüber der Presse (z.B. Hilpoltsteiner Kurier 26.2.2020) ein Ziel von 33 ha an. Das entspricht den ursprünglichen Planungen mit 19 ha für West I und rund 14 Hektar für West II. Dies wird aber nicht realisierbar sein, da die Vorgabe der Regierung von Mittelfranken bzgl. einer Verkleinerung von West II verbindlich ist.
Der Unterschied liegt in der Art der Betriebe, die zulässig sind. Ein Gewerbegebiet dient laut Baunutzungsverordnung vorwiegend der „Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben“. Industriegebiete dienen vorwiegend der „Unterbringung von Betrieben, die in anderen Baugebieten unzulässig sind.“ Ein weiterer wichtiger Unterschied sind die Betriebszeiten: In einem Industriegebiet ist ein 24-Stunden-Betrieb an 365 Tagen im Jahr erlaubt, in einem Gewerbegebiet nicht.
Chefs Culinar würde eine Fläche von 12 ha auf West I bevorzugen, könnte sich aber auch auf einer geringeren Fläche auf West II ansiedeln. Das Unternehmen würde dann die gesamte Fläche beanspruchen. Das widerspricht allerdings dem Aufstellungsbeschluss, wonach die Erschließung von West II „kleingliedriger unter Berücksichtigung eines Nutzungsmix“ erfolgen soll. Außerdem müsste dafür die Kreisstraße verlegt werden.
Das Bürgerbegehren kritisiert den hohen Flächenverbrauch für ein Logistikzentrum und die massiven Auswirkungen auf Umwelt und Natur. Bei Umsetzung der Planung gehen fruchtbare Böden für die Land- und Ernährungswirtschaft verloren, Tiere und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum (es sind Tierarten betroffen, die auf der „Roten Liste“ stehen), und Schadstoffe könnten ins direkt angrenzende Wasserschutzgebiet gelangen, aus dem rund 150.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt werden. Außerdem grenzen ein Landschaftsschutzgebiet und ein Biotop direkt an die Fläche an.
Für Logistikzentren werden riesige Flächen versiegelt, so dass Niederschlagswasser nicht mehr natürlich versickern kann und die Böden austrocknen. Das würde auch die umliegenden Wälder, die ohnehin schon unter Trockenheit durch den Klimawandel leiden, noch mehr gefährden. Bei kleinflächigen Betrieben besteht eher die Möglichkeit, Flächen naturnah und sickerungsfähig zu gestalten. Außerdem verursachen Logistiker ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen als andere Branchen – oft mit Schwerlastverkehr rund um die Uhr. Damit würden Lärm und Abgase massiv zunehmen und die Lebensqualität Allersbergs erheblich beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass moderne Logistikzentren hoch automatisiert sind und nur verhältnismäßig wenige Arbeitsplätze entstehen. Und nicht zuletzt wären die riesigen Logistikhallen ein Fremdkörper in der Landschaft, die das Gesicht und die Zukunft Allersbergs dauerhaft prägen würden.
Die Initiatoren wollen mit dieser Formulierung deutlich machen, dass sie einer zukünftigen Erweiterung des Gewerbegebiets nicht entgegenstehen. So könnte man die Flächen schrittweise entwickeln und auch die erforderliche Infrastruktur langsam anpassen. Denn die wäre einer gleichzeitigen Erschließung beider Gebiete nicht gewachsen. Die Vorstellung einer kleineren Fläche für West II teilt auch die Regierung von Mittelfranken. Ob allein mit einem 8-ha-Gewerbegebiet langfristig ausreichend Einnahmen generiert werden können, hängt vor allem von der Art der Betriebe ab.
Ja, Bürgerentscheid 2 lässt die Möglichkeit offen, zu einem späteren Zeitpunkt bei Bedarf auch Flächen auf West I auszuweisen.
Die Initiatoren wollen Unternehmen bevorzugen, die ihren Firmensitz in der Region haben und damit auch vor Ort in Allersberg ihre Steuern zahlen. Hinzu kommt, dass diese Firmen eher auch Verantwortung für die Region übernehmen, z.B. durch Unterstützung von Vereinen und Einrichtungen oder durch soziales Engagement für Mitarbeitende. Die Chancen für junge Menschen auf qualifizierte und zukunftsorientierte Ausbildungsplätze sind zudem oft deutlich besser. Und die Wirtschaft ist bei einer Vielfalt kleiner und mittlerer Unternehmen weniger krisenanfällig. Schließlich können durch regionale Kreisläufe auch Transporte reduziert und damit Schadstoff- und Lärmemissionen minimiert werden.
Die Corona-Krise zeigt uns sehr deutlich, wie wichtig es ist, regional zu produzieren und nicht von Importen abhängig zu sein. Das Bewusstsein wächst, dass wir heimische Betriebe unterstützen müssen, auch weil sie es sind, die mit ihren Steuergeldern unser Gesundheitssystem finanzieren. Insofern wäre zu bedenken, ob nicht auch wir in Allersberg auf kurze, regionale Wertschöpfungsketten setzen und jetzt in eine nachhaltige Wirtschaft investieren wollen.
Bitte beachten:
Alle drei Fragen müssen beantwortet werden. Wird nur eine Frage beantwotret, ist zwar nicht gleich der ganze Wahlzettel ungültig, jedoch gelten die nicht gesetzten Kreuze als ungültige Stimmen. Wer also den einen Entscheid bejaht, sollte beim anderen Nein ankreuzen und auch die Stichfrage entsprechend beantworten. Die Stichfrage kommt dann zum Tragen, wenn beide Entscheide insgesamt mehrheitlich mit "Ja" beantwortet wurden.
Auf keinen Fall sollte man etwas handschriftlich auf dem Stimmzettel vermerken. Dann ist dieser in seiner Gesamtheit ungültig - auch wenn richtig angekreuzt wurde. Und ebenso ratsam: Nichts durchstreichen. Das wird ebenso als ungültig gewertet und veringert so die absolute Wahlbeteiligung.
Die Fragen & Antworten zu den Bürgerentscheiden als Flyer (PDF, 4 MB)
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